Geburtsvorbereitung: Warum es Sinn macht, mit einem Geburtsplan ins Krankenhaus zu gehen

3732598055_34d6f2ddf6_zOb man einen Kaiserschnitt haben wird oder nicht, ob die Geburt so verläuft, wie man sich das wünscht oder nicht, das kann jede Frau bis zu einem gewissen Grad mit beeinflussen. Wenn man sich nämlich schon während der Schwangerschaft Gedanken darüber macht, was man will und was nicht und welche Vor- und Nachteile verschiedene Interventionen während der Geburt haben, dann ist man Ärzten und Hebammen im Krankenhaus nicht einfach so ausgeliefert. Und wenn man seine Wünsche dann noch in einem Geburtsplan schriftlich festhält, kann auch eine Entbindung im Krankenhaus zu einer selbstbestimmten Geburt werden.

Internetforen sind voll von Berichten enttäuschter oder gar traumatisierter Mütter, deren Geburt im Krankenhaus überhaupt nicht so lief, wie sie sich das vorgestellt hatten. Die Soziologin Christina Mundlos hat sogar ein Buch zu diesem Thema geschrieben, es heißt Gewalt unter der Geburt*.




Klar, manchmal sind medizinische Gründe dafür ausschlaggebend, aber nicht immer. Viele Eingriffe werden schlicht deshalb vorgenommen, um die Geburten zu beschleunigen. Personaleinsparungen und Kostendruck machen es in vielen Krankenhäusern nötig, möglichst viele Gebärende in kurzer Zeit durchzuschleusen. Das Abrechnungssystem ist leider so gestaltet, dass eine ganz normale, interventionsfreie Geburt für die Klinik finanziell ein Zuschussgeschäft ist. Eingriffe dagegen bringen mehr Geld, deshalb werden sie häufig durchgeführt, auch wenn sie medizinisch nicht notwendig sind. Und häufig zieht ein Eingriff in das natürliche Geburtsgeschehen weitere Interventionen nach sich – und am Ende steht im schlechtesten Fall dann der ungewollte Kaiserschnitt.

Informiere Dich über die Vor- und Nachteile von Eingriffen

Die meisten Erstgebärenden vertrauen allerdings darauf, dass die Ärzte und Hebammen in der Geburtsklinik schon wissen, was sie tun und was gut für Mutter und Kind ist. Die Zwänge im Krankenhausalltag und ihre Folgen für die Geburt sind nur wenigen bewusst. Erstgebärende wissen auch meist viel zu wenig über die Vor- und Nachteile der Eingriffe und sie werden unter der Geburt oft nur unzureichend darüber aufgeklärt, auch wenn es rechtlich so ist, dass sie über jeden Eingriff umfassend aufgeklärt werden müssen und ihre Zustimmung notwendig ist.

Auch mir ging es bei meiner ersten Geburt so, bei der ich – wie ich heute weiß – viel zu früh und ohne irgendeinen vernünftigen medizinischen Grund einen Wehentropf bekam, weil sich der Muttermund nur langsam geöffnet hat. Dann wurde auch noch die Fruchtblase künstlich geöffnet, was dazu führte, dass die Wehen plötzlich nicht mehr zu ertragen waren und eine PDA notwendig wurde. Das Kind wurde dann zwar ganz normal geboren und ich war mit dem Verlauf der Geburt zunächst auch sehr zufrieden. Doch als ich wieder schwanger war und auch durch die Arbeit für Mamaclever viel mehr Wissen über die Geburt hatte, fühlte ich mich irgendwie um das natürliche Geburtserlebnis ohne Schmerzmittel betrogen.




Irgendwann während der zweiten Schwangerschaft fragte mich meine Hebamme, ob ich schon einen Geburtsplan geschrieben hätte. Wir hatten uns darüber unterhalten, was an meiner ersten Entbindung gut und was im Nachhinein betrachtet weniger gut gelaufen war, was ich mir beim zweiten Kind anders vorstelle und was ich nicht mehr möchte. Ich habe mir beim zweiten Kind viel mehr Gedanken darüber gemacht, wie die Geburt laufen soll als beim ersten Kind. Ich wollte mir die Kontrolle über den Geburtsvorgang nicht mehr einfach so aus der Hand nehmen lassen, wusste inzwischen viel besser über Vor- und Nachteile verschiedener Maßnahmen Bescheid. Aber auf die Idee, einen Geburtsplan zu schreiben, wäre ich nicht gekommen. Ich lies mich überzeugen, dass ein solcher Plan sehr hilfreich ist.

Ein Geburtsplan ist die beste Geburtsvorbereitung

Einmal, um sich wirklich intensiv mit dem Geburtsablauf auseinanderzusetzen und nochmal einige Punkte zu recherchieren, um sich eine Meinung zu bilden. Wenn man sich die Mühe macht, einen solchen Geburtsplan zu schreiben, dann hilft das dabei, sich darüber klar zu werden, wie man die Geburt individuell gestalten möchte, was einem wichtig ist und was nicht. Einen Geburtsplan ist also eine super Geburtsvorbereitung, weil es einen zwingt, sich intensiv mit der Geburt zu beschäftigen.

Wenn es dann so weit ist, dann dient der Geburtsplan der Entlastung. Man muss keine zusätzliche Energie aufwenden, um dem Klinikpersonal seine Wünsche mitzuteilen, vor allem auch wenn während der Geburt ein Schichtwechsel ansteht. Auch dem Partner gibt der Plan Sicherheit, er weiß so genau, was im Sinne der werdenden Mutter ist und was nicht und kann das gegenüber dem Klinikpersonal besser vertreten. Und nicht zuletzt zeigt man dem Klinikpersonal mit einem sorgfältig formulierten Geburtsplan, dass man gut informiert, gut vorbereitet und selbstbewusst in den Kreißsaal kommt und sich nicht so einfach die Kontrolle über den Geburtsvorgang aus der Hand nehmen lässt.

Man kann seinen Geburtsplan bereits bei der Anmeldung zur Geburt im Krankenhaus abgeben oder mit zur Geburt nehmen und dort dem Personal überreichen.

Wie einen Geburtsplan formulieren?

Wichtig war mir, dass das Klinikpersonal meinen Geburtsplan nicht als Ausdruck des Misstrauens an seiner Arbeit auffasst. Und ganz wichtig ist auch, dass man sich nicht zu sehr auf seine Vorstellungen fixiert. Ein schwieriger Geburtsverlauf oder Komplikationen können es erforderlich machen, dass die Geburt ganz anders verlaufen muss, als man sich das vielleicht gewünscht hat. Deshalb ist es gut, wenn man in seinem Geburtsplan auch eigentlich ungewünschte Eventualitäten berücksichtigt.




Damit ihr eine Idee davon bekommt, wie ein solcher Geburtsplan aussehen könnte und welche Themen man darin ansprechen kann, hier mal den, den ich verfasst habe.

Wünsche für die Geburt

Liebe Hebamme, liebes Ärzteteam,

meinen ersten Sohn habe ich hier mit einer Beleghebamme entbunden. Dieses Mal kenne ich Sie nicht, damit die Geburt dennoch nach meinen Wünschen und Vorstellungen verläuft, habe ich ein paar Dinge formuliert, die mir wichtig sind und bitte Sie, diese zu respektieren und bei einem Schichtwechsel auch weiterzugeben. Bitte sehen Sie dies nicht als Misstrauen an ihrer Arbeit, ich bin jederzeit für ihre Vorschläge offen und die Gesundheit des Kindes steht natürlich an erster Stelle.

Allgemeines

Mein Mann soll möglichst die ganze Zeit mit im Raum sein und auch jederzeit fotografieren können. Wenn ich nicht mehr in der Lage sein sollte, Entscheidungen zu treffen, bevollmächtige ich ihn hiermit, die Entscheidungen für mich zu treffen.

Ich trage harte Kontaktlinsen, die ich auch während der gesamten Geburt tragen möchte, da ich mich mit Brille sehr unwohl fühle.

Interventionen /Schmerzlinderung

Ich strebe eine natürliche Geburt an mit möglichst wenig Interventionen. Ich vertraue meinem Körper und denke, dass man angesichts der komplikationslosen Schwangerschaft der Natur so weit wie möglich ihren Lauf lassen sollte.

So lange es mir und meinem Baby gut geht, möchte ich nur Intervall- und nicht ständige CTG-Überwachung und nach meinem eigenen Zeitplan bzw. dem meines Körpers die Geburt voranschreiten lassen.

Ich möchte nur dann an den Wehentropf angeschlossen werden, wenn es dafür eine ganz klare medizinische Indikation gibt, die mir vorher genau erläutert werden soll. Auch soll die Fruchtblase nicht geöffnet werden, falls sie wie bei der ersten Geburt nicht von selbst platzt, es sei denn, es gibt einen wirklich guten Grund dazu.

Den Kristeller-Handgriff lehne ich ab.

Ich möchte keine homöopathischen Medikamente bekommen.

Eine PDA schließe ich nicht kategorisch aus, aber ich möchte es möglichst ohne versuchen und zuvor möglichst andere Schmerzmittel ausprobieren (z.B. Buscopan, Lachgas, Opioide). Bitte drängen Sie mir keine PDA auf, aber Sie können mich gerne darauf hinweisen, wann der geeignete Zeitpunkt wäre, damit es im Falle unerträglicher Schmerzen nicht schon zu spät ist.

Einen Dammschnitt möchte ich nicht, es sei denn es besteht medizinisch keine andere Möglichkeit. Ich ziehe einen Dammriss vor.

Gebärpositionen

Ich möchte so lange wie möglich beweglich bleiben und kann mir gut vorstellen, das Baby wie mein erstes Kind in der Hocke zu gebären. Auch den Kniestand oder Vierfüßlerstand kann ich mir gut vorstellen und auch für die Wanne und evtl. eine Wassergeburt bin ich offen. Liegen halte ich für die denkbar schlechteste Gebärposition. Leiten Sie mich gerne an, welche Position gerade günstig für den weiteren Geburtsverlauf sein könnte!

Solange es mir und meinem Baby gut geht, möchte ich in der Austreibungsphase frei von Zeitdruck sein.

Nach der Geburt

Ich möchte das Kind sofort nach der Geburt auf meinen nackten Oberkörper nehmen. Sollte es nötig sein, es abzurubbeln, würde ich das nach Möglichkeit gerne selbst machen. Die Nabelschnur soll auspulsieren, bevor sie durchtrennt wird, durchtrennen soll sie bitte der Papa.

Ich bevorzuge eine natürliche Nachgeburt ohne Medikamente und würde den Mutterkuchen gerne sehen. Das Baby soll nicht abgesaugt werden und keine Augentropfen bekommen. Vitamin K kann es erhalten.

Stillen/Zufüttern

Ich möchte mein Kind vollstillen und möchte definitiv nicht, dass es im Krankenhaus eine Flasche bekommt. Ich möch­te darüber hinaus nicht, dass das Ba­by Schnul­ler oder Glu­ko­sel­ö­sung be­kommt. Mein Baby soll noch im Kreißsaal das erste Mal angelegt werden.

Sollte ein Not-Kaiserschnitt unumgänglich werden:

Wenn möglich, soll eine Kaisergeburt durchgeführt werden und mein Partner soll die ganze Zeit bei mir sein. Das Baby soll nicht gewaschen, gewickelt oder angezogen werden, sondern sofort nackt auf meine Brust oder, falls dies nicht möglich ist, auf die meines Mannes zum Bonding kommen.

Mein Mann soll stets beim Baby bleiben – auch wenn eine sofortige medizinische Versorgung des Babys notwendig sein sollte.

Weitere Beispiele für einen Geburtsplan findet ihr hier.

Meinen Plan habe ich letztendlich gar niemanden ausgehändigt, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass das nötig wäre. Nach der Ankunft im Krankenhaus lief alles von selbst genau so ab, wie ich mir das vorgestellt hatte, nachdem ich auf den Vorschlag der Hebamme, die Fruchtblase zu öffnen “und dann ist das Baby in einer halben Stunde da” geäußert hatte, dass ich eine möglichst interventionsfreie Geburt will und sie den Vorschlag dann sofort von selbst verwarf.

Den Plan habe ich vor der Geburt aber ausführlich mit meinem Mann besprochen und das war wichtig, damit er weiß, was ich will. Er hat sich naturgemäß mit der Thematik nicht so sehr auseinandergesetzt wie ich.

Egal ob ihr auch einen Geburtsplan schreibt und egal ob ihr ihn verwendet oder nicht: Eines ist mir wichtig: Gebt euch nicht an der Kreißsaaltür ab, sondern versucht die Kontrolle darüber zu behalten, wie die Geburt abläuft. Das rät übrigens auch die Hebamme Jana Friedrich, in diesem sehr lesenwerten Beitrag. Einen Geburtsplan zu verfassen ist der erste Schritt dazu.

Hattest Du auch einen Geburtsplan und welche Erfahrungen hast Du damit gemacht? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Foto: Kreißsaal von Ralf Appelt/Flickr unter CC BY-NC-SA 2.0

[twoclick_buttons]

Eva Dorothée Schmid

Ich bin Journalistin und Mutter eines Sohnes (geb. 2012) und einer Tochter (geb. 2015), wohne in Hamburg und versuche als Mamaclever, Eltern fundierte Antworten auf alle Fragen zu geben, die sich mit Baby, Klein- oder Kindergartenkind so stellen.

Das könnte dich auch interessieren …

3 Antworten

  1. BloggerMami sagt:

    Hi, ich kann dem nur zustimmen. Ich selbst hatte zwar keinen richtigen Geburtsplan, jedoch hätte ich 4 Wochen vor dem Termin ein ausführliches Gespräch mit einer Ärztin und Hebamme des Krankenhauses, in dem alle Fragen und der Ablauf zur Geburt besprochen wurde. Das war eine super Vorgehensweise und bestimmte Wünsche wurden da sofort notiert. Im Vorfeld hatte ich den Fragebogen und Einverständniserklärung zur PDA vorsichtshalber ausgefüllt und unterschrieben, damit ich das nicht unter Schmerzen tun müsste, aber gebraucht hab ich es nicht. Die hier aufgeführten Beispiele für einen Geburtsplan finde ich sehr gut!

  2. Katharina sagt:

    Hallo liebe Leserinnen,
    ich kann den Beitrag so unterschreiben. Ich hatte diesen Plan vor der Geburt unserer Tochter geschrieben und beim Anmeldegespräch abgegeben. Die Hebammen und Ärzte haben gesagt, dass sie es gut finden, obwohl das meiste, was ich geschrieben hatte, eh so gemacht würde.
    Die Geburt ist jedenfalls so verlaufen, wie ich es mir gewünscht hatte.
    Gerade beim Thema PDA, kann man auch andere Schmerztherapien in Betracht ziehen, so wie du geschrieben hast.
    Im Kinderzimmer hatten sie den Plan dann wohl nicht mehr, so dass da nicht alles so war, wie ich es mir wünschte.
    Da hatte ich mich aber auch zu wenig informiert. Evtl. auch einen Blogbeitrag wert. 😉

    Danke für deine tollen Artikel. Sie helfen mir oft weiter!
    Katharina

    • eds sagt:

      Liebe Katharina,

      vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Freut mich sehr, dass Dir meine Artikel weiterhelfen. So soll es sein 😉

      Herzliche Grüße,
      Eva Dorothée

Schreibe einen Kommentar zu eds Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.