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Baby im Buggy: Nach vorne schauen macht einsam und schlaflos

Viele Babys im Kinderwagen beziehungsweise Buggy schauen von der schiebenden Person weg. Wissenschaftler halten das für einen Fehler. Die Kleinen haben so Stress, kommunizieren weniger mit ihren Eltern und schlafen auch schlechter ein. Deshalb sollten gerade die Jüngsten im Buggy möglichst zu den Eltern schauen.

Rund zwei Stunden verbringen Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und zweieinhalb Jahren täglich in ihren Buggys. Eine Studie der Universität Dundee zeigte 2008, dass zumindest in Großbritannien 62 Prozent der Kinder “falsch herum” im Wagen sitzen – sie schauen nach vorne anstatt zur schiebenden Person. Viele Eltern glauben, das sei besser für den Nachwuchs, der so viel mehr sehen kann. Sie wollen ihm etwas bieten, Erlebnisse und Anregungen, damit er etwas lernt. Allerdings ist das Gegenteil der Fall, vor allem bei Kindern unter zwei Jahren. Die Aussicht nach vorne kann ziemlich beängstigend sein, wie ein Film zeigt, den der britische Literacy Trust gedreht und veröffentlicht hat.

Norland College buggy ride from National Literacy Trust on Vimeo.

Da entern Autos knatternd das Blickfeld, da fährt man scheinbar ungeschützt auf Hindernisse zu, um im letzten Moment noch die Kurve zu kriegen, da bauen sich wildfremde Menschen und Hunde ganz plötzlich riesenhaft vor einem auf. Wo sind Mama und Papa? Vermutlich am anderen Ende des Wagens, zu sehen sind sie allerdings nicht. Vielleicht schiebt da auch schon längst  ein anderer.

Emotionaler Stress, weniger Schlaf

Pädagogen sind der Überzeugung, dass Babys auch im zweiten Lebensjahr noch die “Rückversicherung” bei einer Vertrauensperson brauchen, wenn sie unterwegs sind. Diese erhalten sie durch Blickkontakt. Ist der nicht gegeben, dann sind Kinder leichter emotional gestresst. Und sie schlafen schlechter ein. Die Studie zeigte, dass 52 Prozent der Kinder mit Blickrichtung zu ihren Eltern im Kinderwagen schlafen, wohingegen nur 27 Prozent der Kinder mit Blick in Fahrtrichtung diese Ruhe finden. “Dieses Resultat zeigt augenscheinlich, dass man eher dazu neigt einzuschlafen, wenn man sich sicher, geboren und entspannt fühlt”, sagt die Entwicklungspsychologin Suzanne Zeedyk, die die Studie durchgeführt hat.

Zeedyk stellte auch fest, dass die Kommunikation zwischen Eltern und Kind leidet, wenn das Kleine mit Blick in Fahrtrichtung transportiert wird. “Eltern sprechen doppelt so viel mit ihren Kindern, wenn sie den Kinderwagen zu sich drehen.” Außerdem lachten sowohl die Eltern als auch die Kinder nachweislich mehr, wenn sie sich unterwegs ansehen konnten. Die soziale Interaktion ist in den ersten Lebensjahren sehr wichtig für die Entwicklung des Gehirns. “Wenn Kleinkinder einen Großteil ihrer ersten Lebensmonate in einem Kinderwagen verbringen, der die Möglichkeit verringert, mit ihren Eltern zu kommunizieren, dann kann das ihre Entwicklung negativ beeinflussen”, so Suzanne Zeedyk.

Dreht die Kinder um!

Die Stiftungsinitiative “für Kinder” hat die Studienergebnisse zum Anlass genommen, um mit der Aktion „Ich seh` Dich – und das macht mir Mut!“ Eltern darauf hinzuweisen, dass sie ihre Kinder lieber mit dem Gesicht zum Schiebenden herumfahren sollten. Sie hat auch einen Offenen Brief an die Buggy-Hersteller verfasst, der von mehr als 50 bekannten Medizinern, Pädagogen, Psychologen, Journalisten, Kinder- und Familientherapeuten, Buch-Autoren und Schauspielern als Erstunterzeichner unterstützt wird.  Das Problem ist nämlich, dass in den vergangenen Jahren anders als früher immer häufiger Buggys und Kinderwagen produziert wurden, in denen – sogar ganz kleine – Kinder nach vorne schauen.

Es gibt aber durchaus Modelle, bei denen man die Kinder wahlweise nach vorne oder hinten schauen lassen kann. Das ist vor allem bei Kinderwagen mit Schwenkschieber der Fall. Andere haben Sitze, die man umdrehen kann. Eine Übersicht über Modelle, bei denen das möglich ist findet ihr in dem Post: Buggys, in denen das Kind in beide Richtungen schauen kann.

Foto: What are you waiting for von Felix Huth/Flickr.com unter CC BY 2.0 

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Kategorien: Unterwegs mit Kind
Eva Dorothée Schmid: Ich bin Journalistin und Mutter eines Sohnes (geb. 2012) und einer Tochter (geb. 2015), wohne in Hamburg und versuche als Mamaclever, Eltern fundierte Antworten auf alle Fragen zu geben, die sich mit Baby, Klein- oder Kindergartenkind so stellen.
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