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Keine gute Idee: Sonnenschutz mit Pflanzenölen

Das Thema Sonnenschutz für Babys und Kleinkinder treibt viele Eltern um. Die Angst vor schädlichen chemischen UV-Schutz-Filtern und Nanopartikeln in herkömmlicher Sonnencreme führt dazu, dass immer häufiger in Elternforen Sonnenschutz aus natürlichen, pflanzlichen Ölen propagiert wird. Doch Himbeersamenöl, Kokosnussöl, Olivenöl oder Sesamöl haben nur einen extrem geringen Lichtschutzfaktor und sie schützen nicht vor UVA-Strahlung. Wer sein Kind damit schützen will, riskiert Sonnenbrand, Hautkrebs und Allergien.

Es gibt derzeit kaum eine Diskussion über die richtige Sonnencreme in Elternforen, bei der nicht irgendjemand Kokosnussöl (das ist ja derzeit sowieso das Allheilmittel für jegliche Beschwerden…) oder andere pflanzliche Öle als Alternative zu herkömmlichen Sonnencremes empfiehlt. Öl als Sonnenschutz? Früher hat man sich damit eingerieben, um schneller braun zu werden, daran erinnere ich mich noch aus meiner Jugendzeit. Ich war also skeptisch und versuchte mal herauszufinden, ob die als natürlich gepriesenen pflanzlichen Öle wirklich wie behauptet einen natürlichen Lichtschutzfaktor haben und wenn ja, wie hoch dieser ist.

Dazu seriöse Quellen zu finden, war nicht leicht, oft wird das einfach ohne jegliche Quellenangabe behauptet und diese Behauptungen finden sich fast ausschließlich in Blogs, wo es Anleitungen gibt, wie man selbst eine “natürliche” Sonnencreme herstellen kann, oder auf Seiten, die Pflanzenöle oder daraus selbst gemischte Sonnencremes verkaufen. Dann steht oft geschrieben, dass  Kokosnussöl 20 Prozent der UV-Strahlen absorbiere, Sesamöl blocke sogar 30 Prozent der schädlichen Strahlen ab. Was auf den ersten Blick gut klingt, ist in Wahrheit überhaupt nichts wert, denn man sollte diese Zahlen keinesfalls mit dem Lichtschutzfaktor (LSF) gleichsetzen!

Ein Mittel mit einem LSF von 10 lässt noch ein Zehntel der UV-Strahlung durch, im Gegensatz zu Ölen hält es also 90 Prozent der UV-Strahlung ab! LSF 15 blockiert 93 Prozent und LSF 30 – das ist der, den wohl die meisten Eltern für ein Kleinkind wählen – blockiert rund 97 Prozent! Wenn ein Öl also 30 Prozent der Strahlen blockiert, dann entspricht das einem LSF von weniger als 2. So was darf sich in Deutschland und auch anderswo überhaupt nicht Sonnenschutzmittel nennen.

Welchen LSF haben Öle wirklich?

Nach langem Suchen bin ich auf  zwei Studien gestoßen, in denen der Sonnenschutzfaktor verschiedener pflanzlicher Öle ermittelt wurde. In Indien haben Wissenschaftler ermittelt, wie viel UVB-Strahlung verschiedene Öle absorbieren, UVA-Strahlung, die ebenfalls für die Entstehung von Hautkrebs verantwortlich ist, wurde nicht berücksichtigt. Getestet wurde Kokosnussöl, Neemöl, Sesamöl, Rhizinusöl, Erdnussöl, Lebertran, Senföl und Hühneröl, letzteres wird in Indien gewonnen, indem man Hühnchenknochen bei 140 Grad auskocht.

Dabei kam heraus, dass Kokosnussöl, Erdnussöl, Lebertran und Senföl fast 100 Prozent der UVB-Strahlung durchließ, also keinen Schutz bietet. Rhizinusöl ließ 75 Prozent der Strahlung durch und Neemöl 65 Prozent. Keines dieser Öle hatte also einen LSF, der über 2 liegt. Nur das nach Hähnchen riechende Chicken Oil absorbierte 75 Prozent der Strahlung – das entspricht aber immer noch nur LSF 4 und wer will schon nach Hähnchen riechen?

In der zweiten Studie, die ebenfalls aus Indien stammt, wurde ebenfalls in vitro – also nicht auf der Haut von Menschen, sondern im Experiment – untersucht, wie viel UVB-Strahlung verschiedene flüchtige und nichtflüchtige Öle absorbieren können und welchem LSF das entspricht. Dabei wurde eine andere Methode als in der oben genannten Studie genutzt, was die teilweise abweichenden Ergebnisse erklärt. UVA-Strahlung wurde nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse sind ernüchternd:

ÖlLichtschutzfaktor
Olivenöl7,5
Kokosnussöl7
Rhizinusöl5,7
Mandelöl4,6
Senföl2
Sesamöl1,7
Lavendelöl5,6
Orangenöl3,9
Eukalyptusöl2,6

Die Autoren merken auch an, dass der LSF einer Lotion von vielen weiteren Zutaten wie Emulgatoren und Duftstoffen in der Sonnenschutzcreme beeinflusst wird, diese können den LSF der Öl verstärken oder auch verringern. Und sie schreiben, dass die Lotion auch noch am Menschen getestet werden muss und das in-vitro-Verfahren nur ein erster Test ist, mit welchen Ölen es sich lohnt weiterzuarbeiten. Und man muss nochmal betonen: Keines der Öle bietet Schutz vor UVA-Strahlung! Diese führt zwar nicht zu Sonnenbrand, aber sie dringt tief in die Haut ein und produziert freie Radikale, sie lässt die Haut altern, schwächt das Immunsystem und kann das Erbgut ebenfalls so verändern, dass Krebes entsteht.

Von Karottenöl wird bezugnehmend auf eine Studie, die 2009 im Pharmacognosy Magazin erschienen ist, im Netz auch behauptet, es habe einen Lichtschutzfaktor, der zwischen 38 und 40 liegt. Schaut man sich die Studie genau an, dann stellt man allerdings fest, dass keinesfalls untersucht wurde, welchen LSF Karottenöl hat, sondern es wurde eine nicht namentlich genannte Sonnenschutzcreme getestet, die in indischen Läden verkauft wurde und in der neben Karotten (von Öl ist keine Rede) auch andere Zutaten (Symplocus racemosa, eine Art Heidekraut und Triticum vulgae, Weizenkeimöl) drin waren.

Himbeersamenöl wurde nie am Menschen getestet

Bleibt Himbeersamenöl. In einer Studie von B. Dave Oomah, die vom kanadischen Forschungsinstitut für Landwirtschaft in Auftrag gegeben und in der Zeitschrift Food Chemistry im Jahr 2000 veröffentlicht wurde, wurden die Eigenschaften von Himbeersamenöl untersucht. Bei der Herstellung von Himbeersaft bleiben die Samen übrig und Ziel der Studie war, zu erforschen, wie und ob dieses Abfallprodukt genutzt werden könnte. Dabei wurde festgestellt, dass Himbeersamenöl UVB- und UVA-Strahlung absorbieren kann, und zwar in einem ähnlichen Ausmaß wie Titaniumdioxid, das einen LSF zwischen 28 und 50 für UVB und 6,75 bis 7,5 für UVA-Strahlung aufweist und in Sonnencremes mit mineralischem Filter eingesetzt wird. Das Fazit des Autors: Himbeersamenöl könnte, wenn es hoch konzentriert ist, als Breitbandschutz vor UVA- und UVB-Strahlung eingesetzt werden. Allerdings müsste es wie jedes kosmetische Rohmaterial erstmal in verschiedenen Mischungen auf der Haut von Menschen getestet werden und dies ist bis heute nirgends geschehen. Dabei ist die Studie bereits 15 Jahre alt. Folglich ist auch Himbeersamenöl nirgendwo als Lichtschutzfaktor zugelassen.

Lichtschutzfaktor schwankt stark und Bakterien sammeln sich im Öl

Ich habe auch bei den  Sonnenschutz-Experten in der Forschung & Entwicklung der Firma Beiersdorf (Nivea und Eucerin-Sonnencreme) Dr. Frank Schwanke und Dr. Dominik Göddertz nachgefragt, was man dort von natürlichen Ölen als Sonnenschutz hält. Die Experten antworteten, dass es in der Tat so sei, dass einige natürlich Öle vor UV-Strahlung schützen können. Zum Teil geschehe dies durch enthaltene UV-Filter, zum Teil auch über Substanzen, die die Rötung der Haut unterbinden. Sie weisen allerdings darauf hin, dass bei Naturprodukten die Konzentration und die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe enorm schwanken können und damit auch der Lichtschutzfaktor. Zusätzlich seien die erwähnten Naturprodukte nicht ausreichend konserviert. So könne es mit der Zeit zu einer Bildung von Bakterien oder Pilzen in dem Produkt kommen. Gelangt das Produkt beim Auftragen in eine Wunde, kann es zu einer Infektion an dieser Stelle kommen.

Schwanke und Göddertz sagen auch, dass gemäß der Europäischen Kosmetikverordnung in Sonnenschutzmitteln nur UV-Filter eingesetzt werden dürfen, die von der EU geprüft und zugelassen worden sind – und dazu gehören diese natürliche Öle oder deren Bestandteile nicht. Alle zugelassenen Lichtschutzfiltersubstanzen müssen ein sicheres toxikologisches Profil haben und eine Sicherheitsspanne. Sonnenschutzmittel müssen laut EU-Verordnung sowohl vor UVB- als auch vor UVA-Strahlen schützen, und zwar müssen beide Schutzfaktoren im Verhältnis von 3 zu 1 stehen. Ein Mittel mit LSF 30 muss also mindestens einen UVA-Lichtschutz von 10 erreichen.

Wenn also jemand bei Dawanda Handmade-Sonnencreme vertreibt, die nur aus Pflanzenölen besteht, dann ist das ein Verstoß gegen geltende Vorschriften.

Allergiegefahr durch natürliche Pflanzenöle

Neben dem äußerst geringen Lichtschutzfaktor der pflanzlichen Öle, der zudem noch davon abhängt, wie rein das Öl ist und wie es hergestellt wurde, besteht noch die Problematik, dass man bei Verwendung von Ölen eine photoallergische Reaktion riskiert, denn pflanzliche Öle enthalten zum Teil noch unbekannte Substanzen, die mit UV-Licht reagieren können. Pflanzliche Öle sind deshalb häufiger als andere Sonnenschutzmittel Anlass für phototoxische oder photoallergische Reaktionen. “Dabei kommt es zu Hautrötungen, Bläschen und braunen Streifen, das kann sehr schmerzhaft sein”, warnt Dermatologie Eckhard Breitbart, der im Vorstand des Arbeitskreises Dermatologische Prävention (ADP) sitzt.

Schwitzen verringert die Schutzwirkung

Und es gibt ein weiteres Problem. Der geschlossene Ölfilm auf der Haut behindert den Wärme- und Feuchtigkeitsaustausch mit der umgebenden Luft. In der Sonne schwitzt man und deshalb ist es wichtig, dass Sonnenschutzmittel den Schweiß gleichmäßig aufnehmen können.  Schweiß und Öl können sich allerdings nicht miteinander vermischen, deshalb zerreißt der geschlossene Ölfilm, was die Schutzwirkung von Ölen weiter verringert. Die auf der Haut sitzenden Schweißperlen wirken wie Sammellinsen und erhöhen die lokale Verbrennungsgefahr erheblich. (Quelle: Kindl, Gerd, Raab, Wolfgang, Licht und Haut. Govi-Verlag, Eschborn 1998)

Sonnenschutzmittel mit mineralischem Filtern ist die bessere Wahl

Jürgen Lademann, Professor für Dermatologie an der Charité in Berlin, forscht unter anderem zur Effizienz von Sonnenschutzfiltern. Er sagt: “Selbst wenn bei biologischen Ölen eine Absorption von UVB-Strahlung vorhanden ist, ist der Schutz vor UVA-Strahlung grottenschlecht.” Auch er verweist darauf, dass biologische Produkte zu viel mehr Allergien als chemische führten. Und Sonnenschutzfilter wirkten nur dann optimal, wenn 2 Milligramm pro Quadratzentimeter Haut aufgetragen würden. Studien hätten aber ergeben, dass die meisten Menschen zu wenig Sonnencreme verwenden und der Schutz deshalb oft nur 20 Prozent des Lichtschutzfaktors betrage. Selbst wenn ein Öl nun einen LSF von 7 haben sollte, dann sind 20 Prozent davon extrem wenig. Sein Fazit: “Ein Öl ist kein Sonnenschutzmittel.”

Stattdessen empfiehlt Experte Lademann Kindersonnenschutzmittel mit mineralischen Filtern wie Titandioxid. Es gebe keinen einzigen Hinweis, dass Nanopartikel die Hautbarriere durchdringen, selbst bei Neugeborenen nicht. Und selbst wenn sie in den Körper eindringen würden, dann würden sie sich in der Leber anlagern, aber die Gefahr, die davon ausgehe, sei verschwindend klein gegenüber der Gefahr an Hautkrebs zu erkranken und zu sterben. Zudem schütze Titandioxid auch vor sichtbarer Strahlung und Infrarotstrahlung, von der man inzwischen wisse, dass sie 50 Prozent der freien Radikale, die die Haut schädigen können, verursache.

Hände weg von selbst gemischter Sonnencreme!

Sonnenschutz – insbesondere für Kinder – selber zusammenzumischen oder einfach ein Öl auf ihre Haut zu schmieren, ist also grob fahrlässig und Körperverletzung, wenn die Kinder dann doch einen Sonnenbrand bekommen. Hier lest ihr,  welche Sonnencreme für Babys und Kleinkinder am besten geeignet ist.

Und wer dennoch sämtlichen im Handel erhältlichen Sonnenschutzmitteln so sehr misstraut, dass er den potenziell tödlichen Hautkrebs weniger fürchtet als die etwaigen, oft nur vermuteten und keinesfalls sicher belegten Nebenwirkungen der chemischen Sonnenschutzfilter oder von Nanopartikeln, der soll sein Kind bitte von Kopf bis Fuß in UV-Schutz-Kleidung stecken – so ist es zuverlässig geschützt.

Foto: Flickr/Phu Thinh Co unter CC BY-SA 2.0

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Kategorien: Wickeln & Pflegen
Eva Dorothée Schmid: Ich bin Journalistin und Mutter eines Sohnes (geb. 2012) und einer Tochter (geb. 2015), wohne in Hamburg und versuche als Mamaclever, Eltern fundierte Antworten auf alle Fragen zu geben, die sich mit Baby, Klein- oder Kindergartenkind so stellen.
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